Montag, 5. Mai 2008

Kontraste

Sonnenstrahlen im Farn

Es gibt wohl kaum einen größeren Kontrast, als von einem 3-Tage Tramp aus dem tiefsten neuseeländischen Busch zurück nach Auckland Innenstadt zu kommen. Das wurde mir heute Morgen auf dem Weg zur Universität extrem bewusst. Aber eins nach dem anderen.

Kathrin hat in den letzten Wochen ein bemerkenswertes Stück Organisation an den Tag gelegt, um Leuten aus unserer Gemeinde ein beachtliches Häppchen ursprüngliches Neuseeland nahe zu bringen: Aussuchen des Tracks, Planen der Route, Aufstellung der Ausrüstungsliste, Anfertigen der Informationsmail, Hüttenpässe beim DOC einkaufen, Unterkunft für die Nacht vorher reservieren, pausenlos den Wetterbericht und die Entwicklung der Niederschlagswarnungen für das Wandergebiet verfolgen, etc.

Los geht's Die Ausrüstung wird sortiert

Mittwoch morgen ging es los und wir fuhren die ca. 330km hinunter nach Minginui, wo wir eine Nacht verbrachten um uns aufeinander einzustellen und die Ausrüstung zu sortieren. Dann früh am nächsten Morgen ging es los.

Am Anfang des Whirinaki Tracks Baumkathedrale
Sattes Grün Ein Whio-Paar
An der Central Whirinaki Hütte angekommen Eine einfache Tasse heißer Tee
Der Ofen wird angefeuert Central Whirinaki Hütte

Ca. 16 km führte das erste Drittel der Tour durch wunderbar ursprünglichen Podocarp-Wald auf dem Weg zur ersten Hütte. Der leichte Regen tat der Begeisterung über all die Baumriesen und verknorrten und verwachsenen Pflanzen keinen Abbruch. Kein Laut außer Wind, Regen und Vögeln war zu hören. Auch die bedrohte Whio mit ihrem typischen Pfeifen trafen wir häufig an. Dann am Ende die ersehnte Unterkunft und Erleichterung für alle Rücken- und Schultermuskeln, als die ca. 12-16kg schweren Rucksäcke abgelegt werden konnten und ein heißer Tee am bollernden Ofen die Strapazen vergessen machte. Durch die früh einbrechende Dunkelheit (17:30 Uhr) und die Anstrengung des Tages kuschelten wir uns alle schon um ca. 20:30 Uhr müde in die Schlafsäcke auf den Etagenbetten und schliefen dem nächsten Tag entgegen.

Morgennebel Moos überall
Kathrin nach der ersten Flussdurchquerung Chaos auf dem Weg
Auf dem Weg zur Mangamate Hütte Mangamate Hütte
Aussicht von der Mangamate Hütte Eine heiße Tasse Suppe

Dieser brachte zwar etwas mehr Sonne, aber auch zahlreiche Flussdurchquerungen und einen unvorhergesehen schlechten Weg: Zahlreiche Bäume liegen quer durch das Flusstal verstreut und sind nur rudimentär beseitigt. Der Weg ist überwachsen und nicht mehr leicht zu finden. Teilweise sind die Markierungen verschwunden. Mehrfach mussten wir überlegen, ob wir umkehren, aber dann fand sich doch wieder ein nächstes Wegstück. Nach ca. zwei Stunden Plackerei erreichten wir dann endlich wieder leichteres Terrain und gegen Abends müde aber glücklich und Stolz die zweite Hütte auf einem Plateau mit einer extrem schönen Aussicht in das Tal. Nach etwas Holzhacken sassen wir mit einer heißen Tasse Suppe auf der Terrasse und lauschten dem Abendgesang.

Flussdurchquerung Nr. X Pause in der Sonne Der Fluss ist der Weg

Der dritte Tag war bestimmt von etwas Wehmut („lasst uns doch einfach noch einen Tag hierbleiben…”) und noch mehr Flussdurchquerungen auf dem Weg zurück zum Parkplatz. Wir hatten genug Zeit für Unwegsamkeiten wie am Tag zuvor eingeplant, kamen aber super durch. Das erlaubte zwei großzügige Pausen am Rand des Flusses, wo wir die nassen Hosenbeine von der Sonne trocknen liessen. Pünktlich auf die Minute erreichten wir dann das Auto und machten uns auf den Weg zurück ins geschäftige Auckland.

Zurück am Auto

Nach einem relativ ruhigen Sonntag dann trifft mich erst heute so richtig der Unterschied dieser beiden Welten.

  • Die sanfte Symphonie von Wind, Laub, Wasser und Vögeln - Die Kakophonie von Straßenlärm, Hupen und Motoren
  • Der Duft von nassem Laub, Waldboden, frischer Luft - Die Mischung aus Abgasen, Deo, Parfum, nasser Kleidung
  • Die Freiheit und die bewusste Entscheidung, in der Hütte im Schlafsack zu schlafen - Der Obdachlose unter der Decke auf der Bank an der Bushaltestelle, der gar keine andere Wahl hat
  • Die Freiheit, die Ausrüstung einfach mal stehen lassen und erleichtert einen Abstecher zum Wasserfall machen - Ein Telefongespräch im Bus über den 7. Einbruch in den letzten 4 Wochen in das gleiche Geschäft
  • Der Aufwand für ein Mal Pinkeln gehen: Warm anziehen, rausgehen, feuchte Schuhe bekommen, mit Sägemehl „abziehen” - Einfach durch den Flur ins Bad gehen
  • Die Tür vom Klohäuschen offen stehen lassen und Natur pur sehen - Die Zeitung auf den Knien haben
  • Wasser aus dem Fluss oder aus dem Regentank holen und warm kochen - Warmes Wasser einfach aus dem Hahn
  • Die persönliche Nähe zu anderen Menschen in einer Hütte und die guten Gespräche, die sich fast von selbst ergeben - Die Distanz im Bus, obwohl man eigentlich noch enger zusammensitzt

Mindestens eine Konstante habe ich aber auch schon gefunden:

  • Der Tui, der pünktlich eine halbe Stunde vor dem Sonnenaufgang anfängt zu singen

Diese Tramping-Tour war definitiv nicht meine letzte. Es war eine der schönsten Erfahrungen, die ich (und Kathrin natürlich auch) hier in Neuseeland bisher gemacht haben. Manchmal muss man die Gegensätze einfach erleben, um sich am „Normalen” wieder zu erfreuen.

Keine Kommentare: