Einen Artikel über die Menschen in Neuseeland zu schreiben, ist gar nicht so einfach. Nicht, weil es da nichts zu erzählen gibt. Sondern weil mir die Natur einfach mehr liegt. Weil Menschen sich nicht so leicht in Worte packen lassen. Da Neuseeland aber nun ein Land ist, dass zwar verhältnismäßig wenig bevölkert ist, aber eben doch auch von Menschen und nicht nur von Tieren bewohnt wird, gebührt auch ihnen ein eigener Eintrag. Und außerdem wäre eine Reihe über Neuseeland keine vollständige Reihe, wenn man nicht auch auf manche typische Eigenschaften von Kiwis oder „Halbkiwis” eingehen würde. Na denn mal los…
Das, womit man in Neuseeland immer wieder konfrontiert wird – ob man nun will oder nicht –, ist die Kultur der Maori. Mancher sportinteressierte Mensch kennt vielleicht die Rugbymannschaft der Kiwis, die All Blacks, die zumindest teilweise aus Maoris besteht. Vor jedem Spiel „begrüßt” das neuseeländische Team seinen Gegner mit einem haka, einem wirklich beeindruckend aussehenden Kriegstanz, um seinem Gegner Angst einzujagen. Und wer das einmal in natura gesehen hat, kann wohl auch verstehen, warum einen da schnell der Mut verlassen kann. Vielleicht trägt auch gerade diese Begrüßung dazu bei, dass Neuseeland das beste Rugbyteam der Welt hat.
Aber auch andererorts stößt man immer wieder auf Einflüsse der Maori-Kultur. Viele Ortsnamen tragen Maori-Namen (so dass wir Europäer sie manchmal kaum aussprechen können), an vielen Sehenswürdigkeiten (wie z.B. bei den Thunder Creek Falls oder den Moeraki Boulders) findet man Schilder, auf denen die Bedeutung dieses Ortes für die Maori erklärt wird. Diese Geschichten lesen sich oft wie kleine Märchen und erinnern uns an Träume. In einem Artikel über Neuseeland steht: „Wie weiß man, was Traum und Wirklichkeit ist in einem Land, in dem die ersten Einwohner, die Maori, die Träume als echte Erlebnisse nahmen? Die Maori sagen, wenn wir unsere Fähigkeit zu träumen verlieren, werden uns unsere Geister verlassen.” Ob man ihnen nun zustimmt oder nicht: Träumen tut gut. Und bringt uns manchmal näher zu dem, was wir eigentlich wünschen. Und in Neuseeland habe ich das Träumen wieder verstärkt gelernt…
Weg von der Kultur hin zu einer der Lieblingsbeschäftigung der Kiwis (und auch vieler Neuseelandtouristen): Dem Wandern. Einer Sache kann man sich gewiss sein, wenn man in Neuseeland versucht (und ich sage bewusst versucht), irgendeinen Ort zu Fuß zu erreichen: Man weiß nie, was einen hinter der nächsten Wegbiegung erwartet. Mal läuft man über Schafweiden und klettert über Zäune, in der ängstlichen Erwartung, im nächsten Moment von einem Farmer erschossen zu werden. Ein anderes Mal trifft man auf mehr oder weniger lange und/oder sicher aussehende (Hänge-)Brücken, die es zu überqueren gilt. Dann wieder steht man plötzlich vor einem riesigen Baumstamm, der mitten im Weg liegt und über den man erst einmal klettern muss – nur um sich danach an einem Seil eine kleine Felswand nach unten zu hangeln. Manche Wanderwege sind kaum als solche zu erkennen, sind rutschig, voller Wurzeln und ähnlicher Fallen. Warum schreibe ich das alles in einem Artikel über Menschen in Neuseeland? Weil es den Kiwis wichtiger ist, dass ihr Land ursprünglich bleibt, als überall für perfekt begehbare Wanderwege zu sorgen. Weil sie auch ein wenig Abenteuer suchen auf ihren Wanderwegen (und wir sind noch gar keine echten und langen Wanderwege gelaufen). Und die Abenteuerlust bringt mich auch schon zu meinem nächsten Punkt…
Okay. Abenteuer. Obwohl Neuseeland eigentlich ein Land der Ruhe ist, ein Land, in dem man lang vergessenen Frieden wiederfinden kann, in dem man wieder mehr zu sich selbst findet, kommen einige der extremsten Extremsportarten von diesem kleinen Land down down under (ein Bespiel hierfür ist das mittlerweile überall praktizierte Bungeejumping). Und selbst wenn man nicht zum derart mutigen und/oder lebensmüden Teil der Menschheit gehört: Um Outdoorsportarten kommt man in Neuseeland kaum herum. Überall spielt sich ein großer Teil des Lebens draußen bei sportlichen Aktivitäten ab. Schon an unserem zweiten Tag in Auckland haben wir mitten in der Stadt eine Felskletterwand gesehen und seitdem wollten wir selbst einmal klettern (was wir ja mittlerweile auch leidenschaftlich machen). In Wellington fährt plötzlich ein Einradfahrer derart geschickt an uns vorbei, dass man denkt, er ist schon damit auf die Welt gekommen. Andererorts baden Jugendliche in Wasserfällen, lassen sich Touristen in großen Netzen neben einem Boot herziehen, erkundet Groß und Klein die Natur vom Kajak oder Fahrrad aus. Einfach nur einen erloschenen Vulkankegel in Auckland hochzujoggen ist da abolut nichts besonderes mehr (wir haben uns schon normal gehend da hochgequält).
Vielleicht muss man Sport mögen, um dieses kleine Volk richtig zu verstehen. Vielleicht auch nicht. Vielleicht sollte man bereit sein, sich genauso wie die Kiwis auf die Suche nach der letzten unberührten Natur zu begeben – egal, wie der Weg auch aussehen mag und wie entbehrungsreich die Reise auch werden wird. Ich weiß es nicht. Mir hat die Reise durch dieses Land und die Begegnung mit seinen Menschen geholfen, nicht nur meinen Träumen, sondern auch mir selbst näher zu kommen. Und wenn so etwas passiert, ist es doch nicht wichtig zu wissen, was jetzt genau dafür verantwortlich war. Man sollte sich einfach darüber freuen. Und das tue ich…