Die Tierwelt Neuseelands ist aufgrund von drei Dingen etwas Besonderes:
- Ungewöhnlich: Hier finden sich Arten, welche man sonst nirgendwo findet.
- Unerwartet: Man findet man sie immer dann oder dort, wenn oder wo man am wenigsten damit rechnet.
- Unerschrocken: Nahezu alle Lebewesen Neuseelands weisen eine fast schon dreiste Unerschrockenheit gegenüber dem Menschen auf.
Zum Thema ungewöhnlich: In den ersten Tagen in Auckland nervte uns regelmäßig zu Zeiten, in denen man eigentlich noch schlafen wollte, eine Hupe, die irgendwo in der Nachbarschaft ertönte – viel zu häufig. Zuerst dachten wir an ein Kind, welches sein neues Geburtstagsgeschenk ausprobiert. Erst später fanden wir heraus, dass es sich dabei um einen Tui gehandelt haben musste. Dieser ist in seiner Tonvielfalt dermaßen einfallsreich (von einfacher Hupe über ein Faxgerät bis hin zu melodiösen Meisterleistungen), dass man ihm statt eines einzigen, typischen Gesangs nur eine Bandbreite von Geräuschen zuteilen kann. Mit seinen zwei weißen Lätzchen unter seinem Schnabel und dem schillernden Gefieder sieht er merkwürdig und elegant zugleich aus.
Vielleicht ist es Unrecht gegenüber anderen Tierarten, den Tui als Beispiel für Ungewöhnlichkeit zu nehmen. Aber er ist uns neben dem flatterigen Fantail, dem flugunfähigen Kiwi, dem neugierigen Kea, dem unbekümmerten Weka und sonstigen Artgenossen doch sehr in Erinnerung geblieben.
Der erste unerwartete Zusammenstoß zwischen uns und der Tierwelt fand auf der Südinsel am Farewell Spit statt. Höllischer Gestank aus einer Höhle am Strand ließ auf einen verrottenden Kadaver schließen. Im Nachhinein wissen wir nun, dass dies der „normale” Geruch von Seehunden ist. Als wir diesem vermeindlich toten Exemplar zu nahe kamen, stieß es einen Warn-Kläffer aus, der uns schlagartig wieder auf die vorgeschriebenen 15m Sicherheitsabstand brachte. Und erst dort realisierten wir, dass der Kollege nicht alleine war, sondern sich mehrere schwarze „Rollen” am Strand ausruhten.
Ein anderes Beispiel ist der Albatros. Auf der Otago-Halbinsel bezahlt man viel Geld für den Eintritt in eine Albatros-Station (nichts gegen die Arbeit, welche die Menschen dort zum Erhalt der Tiere leisten), nur um vielleicht enttäuscht festzustellen, dass keiner der Vögel auch nur in der Nähe des Beobachtungsstandes zu sehen ist. Auf der Fährfahrt mit der Interislander hingegen fliegt so ein Exemplar schon mal kostenlos vor dem Schiffsbug her (natürlich häufig nur dann, wenn die Kamera gerade nicht griffbereit in der Nähe ist).
Das erste Mal erlebten wir die Unerschrockenheit neuseeländischer Tiere auf den Wanderwegen am Buller Gorge auf der Südinsel. Direkt neben uns hopste mit einem Mal ein kleiner Vogel durch das dichte Unterholz. Sofort zielten zwei Fotokameras auf ihn. Aber anstatt erschrocken das Weite zu suchen, dachte sich dieser kleine Kamerad über uns: „Oh, neue ‚Bäume‘. Mal sehen, wie sich damit spielen lässt.” und flog stracks unter meiner Achselhöle hindurch und um uns herum.
Wir haben Enten erlebt, die dicht am vorbeibrausenden Verkehr die Straße entlanglaufen. Blaupinguine, die 50cm an uns vorbei zu ihren Nistplätzen wackelten. Wir haben Geschichten gehört über Pinguine, die einen selbst dann noch seelenruhig und unschuldig anschauen, wenn man „Schuu, schuu” macht und mit den Armen wedelt. Es gibt Gerüchte, dass Kiwi-Altvögel mit ihren kräftigen Füßen Opossums von ihrem einzigen Ei weggekickt haben. Neuseelands Tiere kannten bis vor ein paar hundert Jahren keine natürlichen Feinde. Und das ist bis jetzt noch tief verankert – zur Freude tierlieber Menschen, die bereit sind, im Falle solcher Begegnungen ruhig und unbewegt zu werden.
Fantails fliegen wie Schmetterlinge hinter Wanderern her, weil letztere durch ihren Gang Fliegen vom Boden aufscheuchen. Gelbaugenpinguine (die seltensten Pinguine der Welt) watscheln mit einem Mal an Land, wo man eigentlich versteinerte Bäume fotografieren wollte, und laufen wenige Meter an einem vorbei auf ihre Nester zu. Blaue Pinguine attackieren „verbal” Autofahrer, wenn diese es wagen, ihnen die Wege zu den Nestern abzuschneiden. Keas zerlegen Autos, plündern Rucksäcke, und lieben es, mit allem Möglichen zu spielen. Möwen belagern im Rudel Geländewagen mit picknickenden Urlaubern. Delfine spielen mit Touristen im Meer. Wale tauchen wenige Meter von einem entfernt auf und nach einer Weile majestätisch wieder ab. Im Dunkeln schallt der Ruf eines Morepork hinüber zu dem Schiff, mit dem man in einem Seitenarm des Doubtful Sound vor Anker liegt. Ein Kaka spielt durch das Gitter seines Käfigs mit dem Besucher, als kenne man sich schon seit Jahren. Plötzlich sitzt ein seltsamer Käfer oder gar eine Gottesanbeterin auf der Jacke. Und so weiter…
Mit den Tieren auf Tuchfühlung: „So muß das Paradies sein…Hier ist niemand eingesperrt – die Tiere nicht und wir auch nicht” hieß es passend dazu in einem kürzlich erschienenen Artikel über Neuseeland. In Momenten, wie den oben beschriebenen, erhöht sich der Pulsschlag und Glückshormonspiegel um ein vielfaches. Und doch fühlt man sich gleichzeitig ruhig und friedlich. Das muss man einfach erlebt haben, um es zu glauben…
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