Bei uns hat sich mittlerweile eine Art Alltag eingestellt und wir gehen unseren „normal gewordenen” Pflichten nach:
- Stefan geht jeden Tag brav zur Uni und wühlt sich durch Literatur, Operationsvideos und andere Dokumente.
- Ich gehe brav weiter zu meiner Jobfindungsgruppe, schreibe meinen Lebenslauf in englisch (der allerdings in der Rohfassung jetzt endlich fertig ist) und schaue mich nach Stellen um.
Trotzdem läuft gerade die Arbeitssuche hier ganz anders als in Deutschland. Das Wichtigste sind Kontakte. Hat man die nicht, bekommt man in aller Regel auch keinen Job. Die Kiwis wollen ihre Mitarbeiter kennen – und zwar bereits, bevor sie überhaupt ihre Stelle angetreten haben. Das heißt, jetzt, wo ich meinen Lebenslauf fast fertig habe, kann ich mich umschauen nach Organisationen, die mich interessieren (z.B. im geistig Behindertenbereich, ich fände es aber auch spannend, in Problemfamilien oder im Gefängnis zu arbeiten). Dann muss ich Kontakt aufnehmen (per Mail, telefonisch oder ich fahre einfach hin) und frage, ob ich einen Termin vereinbaren könnte. Sagen sie zu, habe ich das, was man hier ein „curiosity interview” nennt. Ich nehme meinen Lebenslauf mit, sage, dass ich mich für den Bereich interessiere, frage, ob sie gerade Stellen frei haben oder jemand anderen wüssten, bei dem ich mich melden könnte. Selbst, wenn sie – momentan – nichts für mich haben, habe ich dann die Möglichkeit, sie nach einer Weile wieder zu kontaktieren. Wenn ich mich dann bei ihnen melde, kennen sie mich schon – und geben vielleicht eher mir einen Job, falls sie einen haben. So baut man sich hier also nach und nach ein Netzwerk auf. Wichtig bei alledem: Immer immer immer höflich bleiben. Die Kiwis sind in aller Regel sehr nette und hilfsbereite Menschen. Wenn man ihnen allerdings krumm kommt, vergessen sie das nie – selbst, wenn man eigentlich im Recht gewesen ist. Habe bisher schon eine ganze Menge über kulturelle Besonderheiten gelernt in meinem Kurs. Es ist nun mal ein anderes Land. Und da werden Dinge halt auch anders gemacht…
Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass mir jetzt schon der Arsch auf Grundeis geht (verzeiht mir diese deutliche Aussage) ich ziemlich Angst bekomme, wenn ich daran denke, dass ich irgendwelche Organisationen kontaktieren muss. Es ist ganz normal, dass man hier erst mal eine Reihe von Absagen bekommt, weil zum Beispiel viele Stellen unter der Hand vergeben werden und man dann als Immigrant erst recht keine Chance hat. Und wer bekommt schon gerne Absagen? Ich auf jeden Fall nicht… Und wenn ich dann daran denke, dass ich überhaupt mal zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werde, kriege ich gleich Schweißausbrüche, weil ich doch vielleicht manche Fragen gar nicht beantworten kann. Aber ich versuche, mir darüber jetzt noch keinen Kopf zu machen. Das kann ich, wenn es soweit ist. Jetzt würde ich mich damit nur verrückt machen und das lasse ich lieber. Ganz tief in mir drin ist auch die Gewissheit, dass Gott schon einen Job für mich haben wird. Dass er uns nicht nach Neuseeland gebracht hat, ohne auch eine gute Stelle für mich vorgesehen zu haben. Alles hier war bisher so gut vorbereitet, da wird es nicht an einer Stelle scheitern. Schiss Angst habe ich aber trotzdem…
4 Kommentare:
Wollte gleich meinen Vorsatz umsetzen und Euren neuen Blogeintrag in Englisch lesen. Aber das ging nicht. Wenn man auf den Englisch-Link geht, bin ich im Januar. Aber wir haben doch schon März...
Was habe ich denn falsch gemacht?
Du hast nichts falsch gemacht. Seitdem wir hier sind, schreiben wir nur noch auf deutsch, weil fast alle Leute, die englisch sprechen, jetzt im gleichen Land leben wie wir. Und wir haben auch nicht genug Zeit, um die Einträge noch zu übersetzen. Den Blog kann man also leider nur noch auf deutsch lesen...
Liebe Kathrin,
Ich habe schon Ende der 80er Jahre ca. 80 Bewerbungen geschrieben und manchmal nicht mal eine Absage gekriegt. So ist das halt. Und Stellen werden auch hier vor allem nach Beziehungen besetzt. Es gibt nur eines, was den "Herrn der Stellen" bewegen kann, davon abzuweichen: Neugier!
Und sei Deinerseits neugierig auf die Menschen, denen Du nun begegnen wirst.
Und zu Deiner Stellenauswahl eine Anmerkung: Vielleicht könnte man den Ball anfangs auch flacher spielen, bis man etwas trittsicherer ist...
Ich kann dich (scheiße-) gut verstehen. Die Angst vor einer Absage oder auch vor einem tatsächlichen Gespräch ist riesen-groß, auch hier in good old germany.
Ich weiß, es gibt ihn, diesen einen job, der dich ausfüllt, und er wartet auf dich, weil nur du ihn machen kannst. Sei dir deiner Stärken bewußt - lenk den Blick auf das, was du gut kannst. Und das ist einiges.
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